Sonntag, 20. Mai 2012

Die Prophezeiung, Kapitel 11 ( Der Gefangene Nachtalb)

Urgandel im Hundertachtunddreißigsten Mondzyklus nach der Besetzung: Fürstentum Burinda

Fortingas hatte die Stadt verlassen und sich in die Wälder geschlagen. Der Erntemond hatte begonnen, dadurch fiel ihm die Nahrungssuche leichter. Er pflückte Mais und Knollengemüse von den Feldern der Bauern. Auch hatte er neue Eigenschaften an sich entdeckt. Der Alb hatte gelernt sich in den Baumkronen fort zu bewegen. Auf ungewisse Art hatte er ein Band zu den Bäumen aufgebaut, als wären sie ein Teil von ihm. Manchmal belauschte er die Menschen und Zwerge die ihm Schutz der Wälder reisten. Sie sprachen von Göttern und das jedes Volk von einem Gott erschaffen wurde. Wenn die Reisenden eine Rast einlegten, sprachen sie mit unsichtbaren Geschöpfen und teilten sogar das kostbare Wasser mit den Pflanzen. Fortingas brachte dies zum nachdenken. Er war dem Schoss seiner Mutter entsprungen und sie wiederum ihrer Mutter. Doch eine Frage beschäftigte ihn immer öfter: Wie war der erste Nachtalb entstanden? Wo war er oder sie hergekommen?

Niemals hatte er seine Mutter oder andere seines Volkes, sehen Beten oder Opfer dar bringen wie die Menschen oder Zwerge. Aus Geschichten wusste er dass die Nachtalben mit Schiffen in dieses Land gekommen waren, doch warum? Und aus welchem Land waren sie gekommen? Fragen, Fragen und keine Antworten. Er hatte sich vorgenommen den Ursprung der Nachtalben zu finden, vielleicht gab es noch mehr die so waren wie er selbst.

Fortingas aß Beeren von einem Strauch, sie schmeckten sauer und er verzog sein Gesicht, doch der Hunger trieb es rein. Plötzlich drang ein köstlicher Geruch an seine Nase. Irgendwer röstete Fleisch, gewürzt mit Salbei und Rosmarin über einem Feuer. Dem Alb lief das Wasser im Mund zusammen. Er schwang sich in eine Eiche und sprang von einer Baumkrone zur anderen dem verführerischen Duft entgegen.
Unter einer dunklen Tanne entdeckte er ein Feuer über dem zwei Hasen gedreht wurden. Um das Lager war eine Hecke aus Brombeersträuchern errichtet worden. Fortingas konnte zwei Zwerginnen und einen Zwerg erkennen. Eine der kleinen Frauen schien nicht recht dahin zu passen, sie war zu mager und zierlich um ein Abkömmling des kleinen Volkes zu sein. Doch das interessierte den Alb im Moment sehr wenig, er hatte nur Augen für das Fleisch über dem Feuer. Doch wie sollte er an die begehrte Mahlzeit kommen? Er hätte sie mit Pfeilen niederstrecken können, doch sie hatten ihm ja gar nichts getan und er konnte sie auch nur schwer zwischen den Ästen anvisieren. 

Die Zeit verging langsam und der Hunger des Alben wurde immer grösser. Der Zwerg mit den langen Haaren, schnitt Teile von einem der Tiere ab und verteilte sie an die anderen. Fortingas hörte das Schmatzen und kaute automatisch mit. Den letzten Braten wickelte der Zwerg in ein Stück Leder, sicher als Proviant für den nächsten Tag. Als der die Sonne sich ganz und gar in ihre nächtliche Wiege zurückgezogen hatte, senkten zwei der Zwerge den Kopf und begannen zu beten. Doch zur Verwunderung des Alben sprachen sie verschiedene Götter an. Dann legten sich die beiden Frauen an das Feuer und schlüpften unter eine Decke die aus Fellen gemacht war. Der Mann lief noch außerhalb des Lagers herum, kroch auf dem Boden und warf mit Tannennadeln und Schmutz um sich. Fortingas konnte sich keinen Reim darauf machen, doch wer verstand schon Zwerge.

Als auch der Zwerg sich an das Feuer gelegt hatte, wartete der Alb noch einige Zeit um sicher zu sein das sie alle schliefen. Er glitt leise den Baum hinab und schlich voran. Er achtete darauf  keine Äste oder anderes zu zertreten und lauschte aufmerksam dem Schnarchen der Zwerge. Sobald er seine Beute hatte würde er schnell verschwinden, denn dieser Lärm war nicht auszuhalten. Fortingas hatte sich bis auf fünf Schritt dem Lager genähert, als unter seinem Fuß etwas leise knackte. Eine Schlinge zog sich fest um seinen Knöchel und brachte ihn zu fall. Der Alb wurde über den Boden geschliffen, durch die Dornenhecke und in die Höhe gezogen. Er schlug hart gegen den Stamm der Tanne, seine Pfeile fielen aus dem Köcher und das Blut sackte in den Kopf. Das letzte was er sah war das grinsende Gesicht eines Zwerges, der ihm eine rein haute. Dann verlor er das Bewusstsein.

Als Fortingas wieder zu sich kam, dröhnte ihm der Schädel. Wie durch einen Schleier hörte er Stimmen die miteinander stritten. „Ich sage, wir töten ihn gleich. Jeder tote Nachtalb ist ein Gegner weniger!" „ Nein wir befragen ihn, vielleicht sind noch mehr in der Gegend!"  Der Alb spürte dass jemand sein Gesicht und Ohren abtastete. Er öffnete seine Augen einen Spalt und erkannte das Gesicht eines kleinen Mädchens, doch sie war kein Zwerg. „Klondieke, komm sofort da weg!!" hörte er die Zwergin rufen. Eine heftige Ohrfeige brachte ihn vollends zurück. „Ich kann riechen das du wach bist, Alb!"
Fortingas merkte das er gefesselt war, vor Ihm stand ein Zwerg mit mittellangem Bart und braunen Haaren. Etwas weiter weg am Feuer war die Zwergin und drückte das Kind an sich. Ihre dunklen Augen funkelten ihn hasserfüllt an. Der Nachtalb wusste das alles was er sagen würde ihm den Kopf kosten konnte, er musste seine Worte gut überlegen. „Was tust du hier? Warum folgst du uns und wie viel seid ihr?" herrschte ihn der Zwerg an. 

Fortingas setzte eine gleichgültige Miene auf und sagte nichts. „Sprich oder ich schlage dir den Kopf ab!!" drohte der Zwerg. Der Alb dachte kurz nach, dann sagte er: „Dann töte mich und meine Geheimnisse bleiben sicher. Was Folter angeht musst du noch viel lernen!" Der Zwerg schaute  Hilfe suchend zu seiner Reisegefährtin, doch sie Zuckte nur mit den Schultern. Der Zwerg drohte dem Alb die Beine zu zertrümmern und ihm die Augen aus zu stechen. Doch Fortingas schaffte es immer ein Gegenargument zu finden das dem Zwerg die Worte raubte. „Hört zu." begann der Alb: „Wenn ich es gewollt hätte, wärt ihr schon lange tot. Ich wollte euch nur das Essen stehlen. Außer mir ist hier keiner!"

„Du lügst Alb!" schrie die Zwergin und machte einen Schritt auf den Alb zu. „Sieh dir seine roten Augen an Wallungur, ich weiß dass er lügt!" Sie zog das kurzstielige Beil aus dem Gürtel und wollte auf Fortingas losgehen, doch der Zwerg hielt sie auf. „Hör zu Tyrella, auch wenn wir nichts erfahren. Deine Leute im Gebirge ganz sicher, wir nehmen ihn mit!" Die Zwergin riss sich los und ging zu dem Mädchen. Fortingas atmete erleichtert auf. Er hatte sich schon mit Gespaltenem Schädel als Futter für die Krähen gesehen. „Hey Wallungur, so heißt du doch? Kann ich was zu essen haben, ich habe mich die letzten Tage nur von Beeren ernährt und etwas Wasser…!" „Ich kann dir Zwergenwasser geben, wenn du so großen Durst hast!!" fiel die Tyrella dem Alb ins Wort. „Was ist Zwergenwasser?" fragte Fortingas. „Das willst du lieber nicht wissen!" lachte der Zwerg und ließ den Alb von der Hasenkeule abbeißen.

 Die beiden Zwerge hatten damit abgewechselt den Nachtalb zu bewachen. Fortingas hatte versucht heraus zu bekommen, warum die Zwergin ihn so sehr hasste. Doch als Antwort hatte sie ihn nur angespuckt und in den Magen getreten.
Mit den ersten Sonnenstrahlen brachen die Zwerge das Lager ab. Sie hatten beschlossen die Waffen des Alben mitzunehmen. Die Schmiede im Nördlichen Gebirge konnten sie untersuchen um bessere Rüstungen schmieden, die den Angriffen der Nachtalben standhalten konnten. Bei der ersten Rast bemerkten sie, dass sich die Augen des Alben verändert hatten. Fortingas erklärte, dass er zur Hälfte Mensch sei und nicht wie die anderen Nachtalben war. Tyrella schimpfte ihn erneut einen Lügner. „Ihr seid alle gleich. Ob rote oder weiße Augen!"  Während die Zwerge aßen untersuchte Fortingas die Knoten an seinen Fesseln. Mit seinen schlanken Fingern hätte er sie jederzeit lösen können. *Aber  warum saure Beeren Essen, wenn ich hier mit gutem Fleisch versorgt werde?* Bevor sie das Gebirge erreichten, konnte er sich immer noch aus dem Staub machen. Doch was ihn wirklich interessierte: warum reisten die Zwerge mit einem Kind der Menschen? Und warum versuchte die Zwergin dem Kind Worte zu lehren und selbst zu essen? Wieder einmal gab es fragen und keine Antworten.

In Pistrana hörte sich der Oberste Alb an, was die Albin ihm zu sagen hatte. Er nahm einen Schluck aus einem Kelch und sagte mit fester Stimme: „Tu was nötig ist Mürane. Töte die Zwerge, aber dem Kind darf nichts geschehen. Bewacht alle Gebirge und kontrolliert die Routen. Ich setze eine Belohnung aus für denjenigen, der mir das Kind unbeschadet bringt!" Die Nachtalbin verbeugte sich und verließ mit einem boshaften Lächeln den Palast. 
Raziael/Überarbeitung:Rina Smaragdauge

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