Kapitel 2:
Ein unerwarteter Besuch
Der Morgen brach nach Camys Geschmack viel zu früh herein.
Wie gern hätte sie sich noch einmal umgedreht und 1 Stunde länger geschlafen,
aber sie hatte ja noch die anderen Aufträge zu erledigen, die sie wegen der
Rüstung hinten an gestellt hatte. 'Komm
schon, Camy. Beweg deinen Hintern in die Schmiede und zeig ihnen was du kannst'
spornte sie sich in Gedanken selber an. Sie schwang die Beine aus ihrem
Bett und machte sich fertig für einen neuen Tag. Auf Zehenspitzen schlich sie
zur Wohnzimmertür und schloß sie leise, damit ihr alter Herr nicht wach wurde.
Dann ging sie
weiter in die Küche um Wasser für den einzigen Luxus, den sie sich in ihrem
Leben gönnte, aufzusetzen. Sie nahm eine Kanne aus billigem Blech aus dem
wackligen Regal und füllte 3 Eßlöffel schwarzen Pulvers hinein. Dann goss sie
das kochende Wasser hinzu und ließ das schwarze Gebräu 10 Minuten lang ziehen.
Die Menschen hatten es zu den Zwergen gebracht und nannten es Kaffa. Und da der
Handel zwischen den beiden Völkern nicht mehr so rege war, wurde das starke und
belebende Getränk immer teurer. Vor sich hinstarrend wartete Camy auf ihren
Kaffa und sog den aromatischen Duft ein.
„Man gönnt sich ja
sonst nichts, oder?“ holte sie die Stimme ihres Bruders in die Realität zurück.
„Kannst du dir dieses Menschengesöff überhaupt leisten, Schwester?“ „Hm, grade
so.“ gab sie zu. „Guten Morgen, Bruder. Was treibt dich so früh in unser
Elternhaus?“ „Ich komme um die Rüstung zu holen. Mergol der Idiot hat
verschlafen und schickt mich nun.“ „Du meinst wohl, er liegt noch bei einer
Zwergin.“ „Nicht doch. So einer ist er nicht.“ empörte sich Dragbor. „Er hat
einen über den Durst getrunken.“ „Ach so, dass ist natürlich viel besser.“
brummte Camy sarkastisch. „Sie liegt gut verpackt neben der Eingangstür. Hast
du das Geld dabei, um meine Arbeit zu bezahlen?“ „Natürlich. 5 Silberstücke, richtig?“
„Ich bekomme 2 Silberstücke extra.“ forderte die Zwergin. „Schließlich habe ich
die Reparatur meinen anderen Aufträgen vorgezogen und bis um 3 Uhr in der früh
daran gearbeitet.“
Ihr Bruder zögerte kurz und dachte nach. „Na gut, dann also
7 Silberstücke. Das geht schon in Ordnung so, immerhin kostet ihn das immer
noch viel weniger als bei einem richtigen Schmied.“ „Hey und was bin ich?!“
„Du? Bestenfalls eine mittelmäßige Kesselflickerin.“ „Vielen Dank, dass du so
eine hohe Meinung von mir hast.“ „Warum regst du dich nur immer so auf,
Schwester? Denkst du wirklich nur weil du manchmal ein bisschen was zum
Ausbessern gebracht bekommst, halten dich die Leute für eine echte, vielleicht
sogar gute Schmiedin? Weit gefehlt, Kleine. Sie kommen nur aus 3 Gründen: aus
Mitleid mit dir, weil sie sich keinen besseren Schmied leisten können oder weil
ich sie zu dir schicke. Bilde dir
also nicht zu viel darauf ein. Genieße deinen Kaffa, den du dir nicht leisten
kannst und überlasse die wirklich wichtigen Sachen besser klügeren und
geschickteren Zwergen.“ schleuderte er ihr entgegen.
Camy wusste darauf
eine passende Antwort, behielt sie aber für sich. Denn immer wenn sie ihrem
Bruder sagte, was sie von ihm hielt, bekam sie seine Wut zu spüren. Wenn ihm
seine Argumente ausgingen, schlug er zu und die schmächtige Zwergin konnte sich
gegen seine Kraft und Brutalität nicht zur Wehr setzen. Außerdem schickte er
ihr dann niemanden mehr, der ihr Arbeit brachte. Und ob sie wollte oder nicht:
sie war nun mal auf das Geld angewiesen. Schließlich sorgte sie nicht nur für
ihren Lebensunterhalt, sondern auch für den ihres Vaters. „Begrüßt du noch
Vater, ehe du gehst?“ wechselte sie rasch das Thema und forderte ihren Bruder
so unausgesprochen auf, das Haus zu verlassen. „Nein. Ich bin spät dran. Die
Zwergenwacht bricht bald auf und ich muss die Rüstung zu Mergol bringen.“ Ohne ein
weiteres Wort ließ er sie in der Küche zurück, nahm die Rüstung und verschwand.
Mit zitternden
Händen goss sich Camy einen Becher Kaffa ein. „Tja, warum sollten fremde Zwerge
eine bessere Meinung haben…wenn selbst die eigene Sippschaft mich nur für einen
mittelmäßigen Kesselflicker hält?“ murmelte sie traurig, bereite ihr Frühstück
zu und verspeiste es, froh dass ihr Bruder gegangen war ohne sie grün und blau
geschlagen zu haben. Zwei Stunden später, Camy hatte gefrühstückt und stand in
ihrer Lederschürze an der kleinen Esse und schmiedete, klopfte es laut an der
Haustür.
„Camy Silberblick?
Öffne die Tür, sofort!“ rief jemand und schlug erneut an die Tür. Ein Poltern
dröhnte aus dem Wohnzimmer und laut fluchend riss Camys Vater die Stubentür
auf. „Wirst du wohl die Tür öffnen, ehe der Kerl sie uns noch einschlägt!“
brüllte er. „Und sag deinem nichtsnutzigen Liebhaber, er soll das nächste Mal
etwas später hier auftauchen. Wie soll man bei diesem Lärm schlafen können?!“
Gerade wollte er sich abwenden und sich wieder schlafen legen, als der Mann an
der Haustür erneut klopfte und rief:“ Camy Silberblick, ich komme im Namen
Torgast Hammerhands. Unser Oberhaupt will mit dir reden. Also öffne sofort
diese beschissene Tür oder ich trete sie ein!“ Pergobur, Camys Vater, hielt in
der Bewegung inne. „Was hast du jetzt schon wieder angestellt?!“ fragte er
vorwurfsvoll. Doch als Camy zu einer Antwort ansetzte, unterbrach er sie. „Ach,
ist mir gleich. Ich will‘ s gar nicht wissen. Ist ohnehin dein Problem. Was
schert es mich, in welchen Schwierigkeiten du dich mal wieder gebracht hast.
Und jetzt öffne die Tür, damit ich endlich wieder in Ruhe schlafen kann!“
Rasch öffnete die
Zwergin die Tür. Sie ahnte schon, warum sie der Oberste ihres Clans sie
sprechen wollte. „Ich komm ja schon. Nur nicht so stürmisch, Herr Zwerg.“
begrüßte sie den Mann vor ihrer Haustür. „Und guten Morgen, liebe Nachbarn. So
früh schon auf den Beinen?“ Sie winkte ihren Nachbarn aufgesetzt fröhlich zu. Diese
waren neugierig zusammengelaufen und hatten sich vor dem Haus versammelt. Sie
wollten unbedingt erfahren, was geschehen war. „Geht heim, hier gibt es nichts
zu gaffen.“ rief der Zwerg der Garde ihnen zu. „Ihr erfahrt schon früh genug
was passiert ist.“ „Was wird denn passieren?“ hakte Camy nach. „Torgast will
mit dir sprechen und hat mir aufgetragen dich hier abzuholen. Mehr weiß ich
nicht und mehr muss ich auch nicht wissen, um seine Befehle auszuführen.“ Camy
nickte. „Darf ich mich noch schnell ein Wenig frisch machen?“ Der Mann der Garde
schüttelte den Kopf. „Nein, mein Befehl lautet: sofort.“ „Stehe ich unter
Arrest?“ „Nicht, wenn du mir keinen Ärger machst und freiwillig mit mir
kommst.“ „In Ordnung, ich komme freiwillig mit.“
***
Verfasst von Rina Smaragdauge, mit freundlicher Unterstützung von Raziael
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